Eiland von Aldous Huxley

von Alexandra Walterskirchen
„Eiland“ von Aldous Huxley
Englischer Originaltitel Island


„Eiland“ (engl. „Island“) ist das letzte Werk des bekannten britischen Schriftstellers Aldous Huxley. Verfasst 30 Jahre nach seiner Dystopie „Schöne neue Welt“ soll „Eiland“ das positive Gegenbild zu seiner Horrorvision einer zukünftigen Gesellschaft darstellen. Ähnlich wie in „Schöne neue Welt“ gibt es auch in „Eiland“ keine wirkliche Handlung, vielmehr versucht Huxley die Prinzipien und die Fundamente der Gesellschaft zu beschreiben, die er als ideale Zukunftsvision sieht. Dies geschieht durch die Hauptperson des Buches, den skrupellosen, britischen Journalisten Wil Farnaby, der im Auftrag des Ölbarons Lord Joe Adlehyde als „Schiffbrüchiger“ auf der abgelegenen polynesischen Insel Pala strandet, um dort mit der regierenden Königin (der Rani) einen Erdöl-Deal zu machen und Pala zu industrialisieren. Die Insel Pala hat sich als einziges Land gegen den Fortschritt verschrieben und lebt in einer abgeschirmten, idyllischen, aber in den Augen der westlichen Welt rückständigen, da nicht industrialisierten und kommerzialisierten Welt. Trotz ihrer scheinbaren materiellen Unterlegenheit sind die Bewohner von Pala hoch gebildet und geistig sehr entwickelt. Sie erkennen die Illusion von Kommerz und Konsum und sehen sie als bedeutungslos an. Vielmehr steht die spirituelle-ganzheitliche Entwicklung jedes Menschen im Vordergrund, sowie seine individuelle Entfaltung in Freiheit und Liebe.

Wil Farnaby gelingt es durch einen Schiffbruch und eine damit verbundene Beinverletzung Zugang zu der „verbotenen“ Insel zu erhalten, die sonst keine Fremden in ihr Land lässt. Traumatisiert durch den kürzlichen Unfalltod seiner Frau Molly, den er durch seine Affäre mit einer anderen Frau mitverschuldet hat, ist Wil Farnaby verbittert und von Hass und Zynismus erfüllt. So begegnet er den Bewohnern der Insel, die ihn in Gestalt des weisen Arztes Dr. Robert MacPhail freundlich aufnehmen, anfangs mit Skepsis und Hohn. Dr Robert MacPhail, der nach dem Tod des Königs (des Rajas) inoffiziell die Regentschaft über Pala übernommen hat, bis der junge Thronfolger volljährig ist, gelingt es, Wils Sichtweise zu ändern. Eine weitere Rolle spielt Susila, die kürzlich verwitwete Schwiegertochter von MacPhail, zu der Wil eine enge Verbindung aufbaut, die schließlich zu einer Art vergeistigter Liebe wird.

Im Laufe des Buches lernt Wil verschiedene Menschen unterschiedlichen Alters kennen, die ihm das Leben in Pala zeigen, u.a. das vollkommene Schulsystem; die geistige, seelische und körperliche Ausbildung der jungen Menschen; die Krankenstation, die nicht nur körperliche Leiden, sondern auch seelische/psychische heilt; die spirituelle Bewusstheit der Menschen und das Leben in vollkommener Harmonie mit der Natur; die Annahme von Leben und Sterben ohne Angst und Furcht. So wird Wil Farnaby bewusst, welch Juwel Pala für die Menschheit ist und dass es unbedingt bewahrt werden muss.

Einzig die Königin (Rani), die nach dem Tod ihres Mannes die legitime Herrscherin ist, passt nicht in diese friedvolle Welt. Zusammen mit ihrem verzogenen Sohn Murugan, dem zukünftigen Thronfolger, der von seiner Mutter im Ausland erzogen worden ist und in wenigen Tagen gekrönt wird, möchte sie die Insel industrialisieren und einen Erdöl-Deal abschließen, so dass sie Wil Farnabys Angebot von Lord Joe Aldehyde annimmt. Murugan, der von Autos und westlichen Konsumartikeln besessen ist und die friedliche, rückständige Lebensweise in Pala hasst, verbündet sich mit dem Militärdiktator Dipa, der das benachbarte Land Rendang-Lobo beherrscht. Zu spät versucht Wil Farnaby, der mittlerweile wahren Frieden und Liebe gefunden hat, die Zerstörung Palas durch die Obrigen zu verhindern, die er ungewollt eingeleitet hat. Am Ende des Buches muss er schockiert mitansehen, wie Panzer auf der Insel landen, Maschinengewehre vor Dr. Robert MacPhail Haus erklingen und das Ende des vereinigte Königreichs von Rendang-Pala sowie der Beginn eines neuen Wirtschaftszeitalters verkündet wird. Das letzte Eiland von Erleuchtung und spiritueller Erhabenheit in einer verdorbenen, niederen Welt ist gefallen.

Das Buch „Eiland“ erinnert in seinem Aufbau an „Schöne neue Welt“, in der ebenfalls die vorherrschende Gesellschaft durch die Augen eines „Auswärtigen“, in dem Fall des „Wilden“, betrachtet wird. Anders als in „Schöne neue Welt“, für die der Wilde am Ende nur Verachtung übrig hat, gewinnt Wil Farnaby für das Land Pala nicht nur Hochachtung und Respekt, sondern eine große Liebe und Zuneigung. Endlich fühlt er sich zu Hause und seelisch geheilt.

Trotz all der verstandesmäßig schönen Beschreibungen der perfekten Gesellschaft von Pala gelingt es Huxley in seinem Werk „Eiland“ nicht, im Leser einen wirklichen Bezug zu Pala aufzubauen oder den Bewohnern von Pala Herzensliebe und Herzlichkeit zu geben. Alles wirkt wie automatisiert und von einer höheren Instanz per Dekret glücklich gemacht, ja regelrecht dazu gezwungen. Auf der Insel gibt es nur „Licht“, aber keinen Schatten. Es fehlen die Seele und die individuellen positiven und negativen Emotionen des Menschen. In Huxleys Bestreben alles zu transzendieren, selbst Gott, Religion, Erleuchtung und Liebe, wird letztendlich alles abstrakt und für den Leser nicht mehr greifbar. Wozu lohnt es sich zu leben, wenn alles Illusion ist und man jede Sache im Kopf mittels Logik in seine Bestandteile zerlegen kann? So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Bewohner von Pala nicht bereit sind, ihr Idyll zu verteidigen und die Eroberung durch Panzer und Militär von Rendang-Pala einfach hinnehmen, weil sie aufgrund ihrer passiven, ja fast schwächlich-naiven Friedlichkeit nicht die innere Stärke und Motivation haben, ihre Heimat und das Gute zu verteidigen.

Das scheinbar so erstrebenswerte Glück, das den Bewohnern von Pala von Kind auf gelehrt wird, erscheint schlussendlich als nichts anders als eine umgedrehte, perfide Version der „Schönen neuen Welt“, in welcher die Menschen ebenfalls in einem ständigen, betäubenden Soma-Rausch leben und glücklich sind. Dass dies aber kein wahres Glück ist, erkennen sie in ihrer Verblendung nicht mehr. Genauso ergeht es den Bewohnern von Pala. Obwohl sie meinen, in absoluter Glückseligkeit zu leben, sind sie innerlich als Menschen mehr davon entfernt als manch westlicher Mensch, der durch Freud und Leid wirkliches Glück erfahren hat, das ihn emotional und seelisch stark gemacht hat. Nur durch diese Stärke ist er dann auch bereit für sein Glück zu kämpfen.

Mein Fazit: Ein kontroverses, nachdenkliches Werk von Aldous Huxley, in welches seine Erfahrungen mit westlich-östlicher Philosophie und Spiritualität einfließen. Dadurch entsteht eine utopische Gesellschaft, die sich zwar über weltliche Belange erhoben hat und auf einer anderen Bewusstseinsebene lebt, die man auch als spirituelle Erleuchtung verbunden mit gleichzeitig materieller Glückseligkeit und sinnlicher Erfüllung bezeichnen kann, die aber andererseits auch vor der Welt und ihren Schattenseiten geflohen ist und dadurch schwach geworden ist, weil sie Unglück per se ablehnt und nur Glück zulässt. So entsteht eine Mischung aus Utopie und Dystopie. Ein sehr empfehlenswertes Werk!

Deutsche Ausgabe
Piper Verlag

Erschienen am 01.02.1984
Übersetzt von: Marlys Herlitschka

352 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-20358-6

€ 12,00 [D], € 12,40 [A]

Englische Originalausgabe:

Harper Perennial

Sprache: Englisch.
Originalausgabe erstmals erschienen 1962; 2009

384 Seiten
ISBN: 9780061561795

16,50 Euro

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